Titel Das Jahr, das zwei Sekunden brauchte Reihe – Band Einzelband Autor Rachel Joyce Übersetzer Maria Andreas Illustrator – Verlag Fischer Verlag Erschienen als Taschenbuch Genre Roman Preis 9,99€ Seitenzahl 432 Seiten Bewertung

Das Jahr, das zwei Sekunden brauchte brauchte ist ein Roman, der mich bereits von der ersten Seite ab neugierig machte, wie er wohl enden würde. Nun, nach der Lektüre, bleibe ich ein wenig sprachlos zurück.
Kennt ihr diese Bücher, die einen versteckten Winkel eurer Seele berühren und tief in euch eine Saite zum Schwingen bringen? So erging es mir mit Das Jahr, das zwei Sekunden brauchte. Bereits von Beginn des Prologs an hatte mich die Autorin Rachel Joyce gepackt und mit ihrem Schreibstil in ihren Bann gezogen. Denn die Art, wie sie schreibt, zog mich in den Strudel ihrer Geschichte, lies mich Teil des Protagonisten Byron werden und mit jeder Seite mitfiebern, ob die beiden Jungen es schaffen würden, die zusätzlichen zwei Sekunden auszugleichen.
Der Plot von Das Jahr, das zwei Sekunden brauchte entwickelt einen Sog, dem ich mich nicht entziehen konnte
Doch von vorne. In Das Jahr, das zwei Sekunden brauchte geht es um zwei beste Freunde, Byron und James, die feststellen, dass ihrem Jahr zwei zusätzliche Sekunden hinzugefügt werden, um die aus dem natürlichen Takt geratene Zeit anzugleichen. In ihrer kindlichen Naivität erwarten sich die beiden Jungen etwas Großes von dieser Aktion – was letztlich auch geschieht, wenn auch nicht so, wie die beiden erwartet hatten. Was hier beginnt, ist nicht nur die Verkettung unglücklicher Tatsachen, sondern auch der Grundstein für einen fesselnden Plot, der mich mit seiner Komplexität gefangen nahm.
Als Leser wird man in eine Geschichte entführt, die auf zwei Handlungssträngen aufgebaut ist: Der Retrospektive, die als Gegenwart erzählt wird und die Ereigniskette von ihrem Startpunkt an in Richtung Erzählgegenwart berichtet sowie der Erzählgegenwart selbst, in der eine der Figuren ihren Lebens- und Leidensweg bruchstückhaft enthüllt. Aus Lesersicht bleibt lange unklar, wie die Perspektiven zusammengehören und welche Figur aus der Erzählgegenwart spricht. Ich persönlich mag diese Weise des Erzählens sehr gerne und wurde Seite um Seite tiefer in die Geschichte gezogen – vor allem gegen Ende, wo ein Schicksalsschlag den nächsten jagte.
Das Jahr, das zwei Sekunden brauchte ist ein Werk, das mit großen Emotionen spielt
Ein wichtiger Bestandteil des Plots von Das Jahr, das zwei Sekunden brauchte sind die Emotionen, die vor allem Byron durchlebt. Sorge um die Mutter, die Zukunft der Familie, Hoffnung, dass James‘ und sein Plan funktionieren könnte, Furcht davor, dass er es nicht täte und Verwirrung, wenn keiner der Außenstehenden Byron und seine Probleme wirklich versteht. Was mich tief berührt und auch ein Stück weit verstört zurückgelassen hat, ist der Umgang mit einer der Figuren, die ohne viel Federlesen in eine psychiatrische Anstalt verbracht und mit Elektroschocks therapiert wird. Ich möchte an dieser Stelle nicht verraten, um welche Figur es sich handelt – da ihre Identität ein Rätsel im Verlauf des Romans ist und er am Ende aufgelöst wird. Zwar ist diese Art der Behandlung ein Kind ihrer Zeit, dennoch hat es mich zu tief erschüttert und dem Buch eine melancholisch-traurige Note gegeben.
Was mich besonders berührt hat, war die Art und Weise, wie Rachel Joyce die Geschichte aus der Perspektive all ihrer Figuren, vor allem aber der oben vorgestellten Figur erzählt. Alles wirkt liebevoll und sorgfältig konstruiert, sodass ich an keiner Stelle das Gefühl hatte, die Karikatur eines solchen Leidenswegs zu lesen.
Ihr merkt es meiner Rezension vielleicht bereits an, aber Das Jahr, das zwei Sekunden brauchte von Rachel Joyce hat eine Wirkung auf mich ausgeübt, die wohl noch eine Weile nachhallen wird. Es wird definitiv nicht mein letztes Buch von ihr gewesen sein, denn die Sorgfalt, mit der sie ihren Plot entstehen lässt, ihre Figuren entwickelt hat und sich im Roman ausdrückt, haben mich berührt.