Lesemeinung

13 Gründe, warum mich Shades of Grey – Geheimes Verlangen auf die Palme bringt

Shades of Grey – Geheimes Verlangen

Ein Beitrag zu Shades of Grey – Geheimes Verlangen? Und das knapp 10 Jahre nach der Erstveröffentlichung der Reihe? Ja, ich weiß: Ich krame hier uralte Kamellen aus. Aber vor kurzem fand ich die komplette Shades of Grey-Trilogie im nächstgelegenen Bücherschrank. Zwar habe die Reihe bisher nie selbst gelesen, aber so viel über sie gehört, dass ich mir selbst ein Bild machen wollte. Denn die Trilogie bedient Klischees und Stereotypen, die auch heute noch allgegenwärtig und toxisch sind. Und gerade nach Debatten wie #metoo oder #NeinheißtNein ist ein kritischer Umgang mit toxischen Beziehungsmustern wichtiger denn je. Nachdem ich nun Band 1 gelesen habe bin ich mir sicher: Diese Bücher machen mich rasend – und das nicht im positiven Sinne. Warum genau, liest du hier:

#1 Klischees und Stereotypen lassen grüssen

Ich weiß gar nicht, wie viele Bücher mit klischeehaften Stereotypen noch geschrieben werden müssen, bis auch die letzte Leserin genug hat. Denn eines ist sicher: Shades of Grey – Geheimes Verlangen ist voller Stereotypen. Ana – die Protagonistin – ist eine lebensunerfahrene, hilflose Mary Sue, die auf den düsteren, steinreichen und geheimnisumwobenen Bad Boy Christian Grey trifft. Natürlich versteht sie nicht, wie der attraktive Millionär (oder what ever) auf sie, das zu dünne, zu unbeholfene Mädchen stehen kann. Und glaubt mir, dieses Klischee wird unter dem Aspekt „Mauerblümchen seien nicht liebenswert“ bis zum Schluss des Buchs durchgenudelt. Und dann ist da noch Kat, Anas natürlich unglaublich schlaue, gutaussehende und selbstbewusste beste Freundin mit Kurven an den richtigen Stellen… Ich kann es einfach nicht mehr hören. Dieses Figurenpersonal ist an so vielen Stellen verkorkst, ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Doch damit nicht genug…

#2 Er wird sich schon für mich ändern…!

Dass Ana tatsächlich glaubt, dass sie Christian und seine Art ändern könne, nervt mich unheimlich. Kein Mensch sollte sich ändern, um einem anderen zu gefallen. Und das gilt in diesem Buch für beide Figuren. Weder sie muss seinen BDSM-Neigungen entsprechen, noch er ihren romantischen Helden-Bildern. Ein Mensch sollte sich aus eigenem Antrieb ändern, weil er oder sie es für sich selbst tut. Nicht für jemand anderen. Das ist einfach nicht gesund.

#3 Christian ist das Sinnbild toxischer Männlichkeit

Ich verstehe ja durchaus, dass ein erotisches Abenteuer mit einer dominanten Person für einige Menschen ihren Reiz haben mag. Solange alle Parteien damit glücklich sind, so what. Aber Christians ständige Befehle, seine Herablassung und Besserwisserei – da platzt mir einfach der Kragen. Und dass er dann binnen von Sekunden nett und einfühlsam ist, macht die Sache definitiv nicht besser. Im Gegenteil: Er liest sich wie ein Narzisst, der die Erniedrigung nutzt, um sich besser zu fühlen. Toxische Beziehungsmuster lassen grüßen.

#4 Christians Launen

Dass Christian das Sinnbild toxischer Männlichkeit und ein absoluter Kontrollfreak ist, hatten wir gerade schon. Genauso schlimm fand ich seine Launen und Stimmungswechsel. Klar, jeder hat mal einen schlechten Tag und ist mal launig, aber er toppt das. Dabei ist die Hälfte seiner Launen einer gewollt mysteriösen Aura geschuldet, die seinen Bad-Boy-Status untermauern soll. Update: Kein Mensch möchte den Launen eines anderen ausgeliefert sein. Daran ist nichts sexy oder attraktiv.

#5 Und wenn wir schon von Kontrolle reden…

Nicht genug, dass Christian Ana ständig kontrollieren und dominieren muss, er muss sie auch noch stalken. Und er verpackt das noch unter dem Deckmäntelchen liebevoller Führsorge. Die Adresse der Mutter herauszufinden und dort hin zu fliegen ist nicht fürsorglich, sondern übergriffig!

#6 Ich will das Gute, den Ballast aber nicht!

So ähnlich könnte man Anas Aussagen zusammenfassen, als Christian ihr gesteht „seelisch total abgefuckt“ zu sein. Sie ist auf ihre eigene Art genauso egoistisch wie Christian. Sie will ihn unbedingt, aber bitte nur die Teile, die ihr gefallen. Schon klar. Dass Christian seinerseits kein idealer Partner ist, darüber brauchen wir nicht zu diskutieren. Dass aber Ana nur die Rosinen rauspicken und mit dem Rest nichts zu tun haben will, macht sie in meinen Augen nicht besser.

Shades of Grey – Geheimes Verlangen
Shades of Grey – Geheimes Verlangen

#7 Anas Darstellung ihres Unterbewusstseins und ihrer „inneren Göttin“

Dass man sich selbst häufig sein schlimmster Feind ist, dürfte jeder von uns mal erlebt haben. Aber Anas Unterbewusstsein hat es so richtig raus, sie fertigzumachen. Und die „innere Göttin“ aka. Libido (oder was auch immer) finde ich genauso erschreckend. Vollkommen ungezügelt, unbesonnen und sich selbst verleugnend musste ich an einigen Stellen an das Freud’sche Es denken.

 

#8 Bist du das, Freud?

Und wenn wir schon dabei sind: Was hat es mit derDarstellung von Anastasias Unterbewusstsein und ihrer inneren Göttin auf sich? Was genau soll die innere Göttin darstellen? Anas Libido? Ihre mutige Seite? Ich weiß es nicht. Jedenfalls finde ich all die Umschreibungen mehr als befremdlich. Vor allem auch in der Gegenüberstellung mit Anas Unterbewusstsein, das nicht nur wahnsinnig fies zu ihr ist, sondern auch super konservativ rüberkommt. Soll dadurch Anas „wilde Seite“ spontaner rüberkommen? Was es auch ist, das Trio erinnerte mich stark an Freuds Ich, Es und Über-Ich – nur in nicht um die Ecke gedacht.

#9 Verhütung ist Frauensache aka „Ich hasse die Dinger“

Ein Punkt, der mich absolut wahnsinnig gemacht hat, ist der Punkt der Verhütung. Die Pille ist eine Errungenschaft, die Frauen weltweit Selbstbestimmtheit über ihren Körper verliehen hat. Aber sie ist nun einmal auch nicht ganz ohne. Dass Christian wie selbstverständlich vertraglich festhält, dass es Anas Part ist, sich um orale Kontrazeptiva zu kümmern, macht mich wahnsinnig wütend. Und natürlich durfte auch das obligatorische „ich mag Kondome nicht“ nicht fehlen – und das, obwohl Grey sich stellenweise als emotionaler Frauenversteher gibt, der Anas Gefühlswelt erfahren möchte. Und das „Beste“: Kaum, dass Ana die Pille einen Tag nimmt, muss Christian natürlich mit ihr schlafen. Und an dieser Stelle ist so vieles verkehrt. Gestartet damit, dass er Anas Hygieneprodukt ins Klo wirft – macht das bitte nicht! – schläft während ihrer Periode direkt ohne Kondom mit ihr.

#10 Und das ist BDSM…?

Dass die Reihe in der BDSM-Szene nicht gerade positiv aufgenommen wurde, dürfte jeder wissen. Und sogar mir kommt der Auftaktband schlecht recherchiert vor. BDSM wirkt im Roman wie etwas Exotisches, das total abgefahren und pervers ist. Dabei passiert in der Geschichte nicht mal was Krasses. Stattdessen ist Christian einfach ein Kontrollfreak, der den Schuss nicht gehört hat.

#11 Und wenn sie nicht gestorben ist, errötet sie noch heute

Können wir auch mal bitte darüber reden, wie häufig Ana auf diesen 603 Seiten errötet?! Es kam mir so vor, als täte sie nichts Anderes! Wegen jeder Kleinigkeit schießt ihr das Blut in die Wangen. Und diese Lippenkauerei macht mich genauso wahnsinnig wie Christian – nur nicht im positiven Sinne.

#12 Christian ist schwul, weil er nie mit Frauen gesehen wird

Ernsthaft, müssen wir wirklich darüber reden, auf wie vielen Ebenen diese Aussage einfach falsch und verabscheuungswürdig ist? Sogar seine Familie denkt, dass er schwul ist.

#13 Das obligatorische Drama am Ende

Als wäre Shades of Grey – Geheimes Verlangen nicht klischeebehaftet genug, muss am Ende des ersten Teils der unumgängliche Streit samt Trennung platziert werden. Und man merkt so deutlich, dass dieser Streit dermaßen an den Haaren herbeigezogen und nur zu Zwecken der Spannung eingebaut wurde. Ich sage nur Gähn!

Alles in allem ist Shades of Grey – Geheimes Verlangen ein Buch, das vor Klischees nur so strotzt, toxische Beziehungsmuster propagiert und romantisiert und Stalking relativiert. Dass diese Reihe mit Sex and the City verglichen wird – ungelogen das steht auf dem Buchumschlag – geht mir nicht in den Kopf. Während SatC für ein feministisch-selbstbestimmtes Leben steht, ist Shades of Grey nicht viel mehr als Fanfiction.

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